Ein gedeihliches Miteinander von Wissenschaft und Politik setzt nach Ansicht des Deutschen Hochschulverbands (DHV) ein besseres gegenseitiges Verständnis voraus. Wissenschaft und Politik blieben in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, folgten aber verschiedenen Logiken. Berührungspunkte entstünden fortlaufend dort, wo Wissens- und Informationsdefizite zu beseitigen seien oder beabsichtigte Entscheidungen, manchmal aber auch bereits vollzogene Agenden fachlich abgesichert werden sollten. „Wissenschaft schafft Wissen, ist aber nicht all-wissend. Sie strebt nach Erkenntnis, nähert sich der Wahrheit an, besitzt sie gleichwohl nicht. Wissenschaft muss ihren Erkenntnisstand transparent machen und deutlich werden lassen, was sie weiß und was nicht, wo gesicherte Erkenntnisse vorliegen und wo nicht“, erklärte DHV-Präsident Professor Dr. Lambert T. Koch. „Gerade im Dialog mit der Politik ist das wichtig. Politik muss unterschiedliche Interessen und Sichtweisen bündeln, untereinander abwägen und in mehrheitsfähige Entscheidungen überführen, die durchsetzbar erscheinen.“
Laut DHV-Präsidenten wird die Wissenschaft zu strittigen Fragen in der Regel keinen abschließenden Schiedsspruch fällen können. Sie könne aber dank ihrer disziplinären Vielfalt mit fundierten Urteilen Debattenräume für die Gesellschaft öffnen. Zwar sei es durchaus sinnvoll, wissenschaftsübergreifend vorhandenes Wissen institutionell zu bündeln und für politische Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. „Ein allgemeines Mandat, zentral und abschließend im Namen der Wissenschaft mit ihren Teilgebieten zu sprechen, kann damit allerdings nicht verbunden sein. Wissenschaft lebt auch weiterhin von Vielfalt und konstruktivem Disput“, so Koch weiter.
Besondere methodische und intellektuelle Sorgfalt sei geboten, wenn Fragestellungen weitrei-chende politische Implikationen hätten. Es gebe erprobte Verfahren, damit politische Voreinstellungen nicht ungefiltert auf wissenschaftliche Arbeiten durchschlügen. Diese Gefahr sei aber gegeben, wenn Wissenschaft und politisches Engagement miteinander verschmölzen. „Wissenschaft darf leidenschaftlich und muss kritisch und unbequem sein. Wo allerdings Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre professionelle Distanz aufgeben, verlieren sie ihre Unabhängigkeit. In der Arena des politischen Meinungskampfes ist für Zuspitzung und Polarisierung viel, für Zwischentöne und Differenzierungen oft wenig Platz. Letztere sind aber in Gesellschaften, die sich zunehmend in von Empörungswellen getragenen Meinungsblasen bewegen, wichtiger denn je“, betonte der DHV-Präsident. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Zurückhaltung gegenüber ihrem Forschungsobjekt in noch so wohlmeinender Absicht aufgäben, könnten kein Gegenwicht und Korrektiv zum erhitzten und permanent umtriebigen Politikbetrieb sein.
Die verfassungsrechtlich gewährte Unabhängigkeit einer Wissenschaftlerin oder eines Wissenschaftlers ist Koch zufolge kein Selbstzweck, sondern dient dem Gemeinwohl. „Natürlich sollen und dürfen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie alle Bürgerinnen und Bürger politisch engagieren. Unverändert richtig ist jedoch die Einsicht, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei politischer Betätigung nicht den Eindruck erwecken sollten, mit wissenschaftlicher Autorität zu handeln. Insbesondere sollte ein Professorentitel oder ein herausgehobenes Amt in einer wissenschaftlichen Institution nicht dazu verleiten, politisch motivierte Äußerungen als wissenschaftsbasiert zu maskieren. Wenn dies dennoch geschieht, nehmen die Person und mithin die Wissenschaft Schaden.“
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